Von den Schwierigkeiten, den Verein in die Jahre zu bringen
Alltag
Neben den grösseren Auftritten im Theater kam der Verein selbstverständlich seinen «normalen» Aufgaben nach. An den «üblichen fünf hohen Kirchenfesten» führte er zusammen mit dem Gemischten Chor Orchestermessen auf, wie es jeweils im Jahresbericht heisst, wobei es der Chronist unterlässt, diese genau zu bezeichnen. So kann man nur vermuten, dass es sich um Aufführungen an Ostern, Pfingsten, Kirchweihe, Allerheiligen und Weihnachten gehandelt haben muss. Immer hat man den Verein auch bei Primizen angefragt, ob er den Festgottesdienst verschönern helfen wolle, einem Wunsch, dem der Verein gerne entsprach. Ursprünglich spielte er gratis, später verlangte er dafür 50 Franken.
Anstehender Militärdienst oder Krankheit der «Solisten» beziehungsweise des Dirigenten und die Einstudierung der Messen liessen es oft angezeigt erscheinen, ein geplantes Konzert für Monate oder doch wenigstens für Wochen zu verschieben. Doch auch dann griff man gerne auf schon gespielte Stücke zurück, weshalb man dann grosszügig den Eintrittspreis von einem Franken auf 80 Rappen ermässigte. Stars der Konzerte waren über Jahre die beiden Hornisten Josef Businger und Franz Leuthold: «Duett und Solo klangen so weich und gemütvoll, wie wir noch selten etwas gehört, das mehr zum Herzen sprach», schrieb einmal der Berichterstatter im «Nidwaldner Volksblatt». Fast stereotyp schliesst er jeweils die Kritik: mit «stürmischem Applaus» seien Dirigent, Solisten und Orchester verabschiedet worden.
Als dritter regelmässiger Auftritt kamen ab 1902 die Zwischenaktmusiken im Theater während der Fasnacht hinzu. Sie waren allerdings nicht bloss ein Vergnügen. Vor allem störte die Ausführenden, dass es keinen Orchestergraben gab. Dieser wurde erst 1932 eingerichtet. Vorher hatten die Musiker während der ganzen Aufführung stille zu sitzen und das gegebene Stück bis zum Überdruss mitzuverfolgen.
Natürlich riefen all die öffentlichen Auftritte nach vielen Proben. Erstaunlich, wie oft solche anfänglich gehalten wurden. Zuerst ist von 70, dann gar von 84 Proben im Jahr die Rede. Auf Dauer konnte diese hohe Zahl aber nicht gehalten werden. So sank sie in den folgenden Jahren stetig, bis sie sich zwischen 25 und 42 einpendelte.
Damit sind wir in jener Zeit angelangt, in welcher der Enthusiasmus der Gründerjahre verflogen war. Dies merkt man schon den Tätigkeitsberichten an. Statt sich einleitend euphorisch über Erfolge auszulassen, beginnen sie jetzt trivial mit: «Der Orchesterverein hat wieder ein Jahr hinter sich» gebracht. Darauf wird von den üblichen Messen berichtet, an denen man mitgewirkt habe. Doch gar nichts ist mehr davon zu merken, dass das Orchester «seinen ersten und schönsten Lorbeer in der Kirche beim hochfesttäglichen Gottesdienst» hole. Schon eher verstärkt sich der Eindruck, es handle sich hier um eine Pflichtübung.
Auch die Konzerte werden spärlicher. Nicht selten heisst es darüber: es sei wie letztes Jahr aus «den bekannten Gründen» ausgefallen. Irgendwie fehlen der Elan, der zündende Funke, die mitreissende Idee.
Statt sich für neue musikalische Höhenflüge einzusetzen, gefallen sich einzelne Mitglieder gar im Inszenieren von internen Querelen. Da wird gar mit dem Austritt gedroht, wenn der Verein anders beschliessen will, als es der Antragsteller vorgeschlagen hat; andere intrigieren gegen den Direktor: es fehle ihm der Respekt vor den Beschlüssen der Generalversammlung. Wieder andere vergönnten den Kollegen ihre Auftritte als Kammermusik-Ensemble oder schwänzten ganz einfach die Proben, so dass diese nicht durchgeführt werden konnten, weil zu viele fehlten. Der Vorstand setzte dann fast regelmässig eine Extra-Versammlung an, um klar zu fragen, ob der Verein überhaupt noch weiter existieren solle. Dies wird von den Anwesenden natürlich bejaht und auch Besserung bezüglich des Probenbesuchs gelobt, um wenig später wieder dem alten Schlendrian zu verfallen. Einzelne Mitglieder liessen für sich über drei Viertel der Proben ausfallen. Hin und wieder legte sich das Orchester sogar mit einem andern musikalischen Verein an, wie etwa mit dem Männerchor. Weil man sich über die Verteilung des möglichen Konzertgewinns nicht einigen konnte (ob für einen wohltätigen Zweck oder für die eigene Kasse konzertiert werden solle), lehnte das Orchester kurzerhand ein vereinigtes Auftreten ab und beschloss gar auf Antrag von alt Präsident Carl Gut, allein zu musizieren, «und zwar vor dem Männerchorkonzert»: ein klarer Affront.
Eine Besserung zeichnete sich eigentlich erst wieder in den 1920er Jahren ab. Es fand nun wieder regelmässig im Sommer ein Konzert statt. Auch die Orchestermessen wurden wieder aufgenommen und alljährlich spielte man die Zwischenaktmusiken im Theater. Die Zahl der Aktivmitglieder wuchs vorübergehend sogar bis auf 18 an (1930). Dann aber erlahmte der Elan.
Schwindende Kräfte
«Die ersten Jahresberichte schreiben noch stolz von Jahren voller Arbeit, Freude und Erfolg. Auch wir können zwar noch von Arbeit erzählen, aber nicht von Erfolg und Freude. Allerdings happert es schon lange, und es will und will nicht mehr gehen. Nicht einmal das nötigste können wir noch leisten.» So resigniert beginnt Frieda Zelger den Bericht über die Jahre 1933 bis 1935. In der Tat stand der Verein vor dem Einschlafen. Die Zahl der Aktivmitglieder schrumpfte auf ganze elf zusammen. Und fast schien es, als hätte sich der Verein den letzten Satz aus Haydns Abschieds-Symphonie zum Vorbild genommen. Dort packte ja der Überlieferung nach bei der Uraufführung Stimme um Stimme ihre Noten zusammen, löschte die Kerzen ihrer Pulte und verliess mit den Instrumenten ihre Kollegen. Ähnlich hatten die zurückbleibenden Mitglieder an jeder Generalversammlung Austritte zur Kenntnis zu nehmen, ohne Aussicht auf Nachwuchs.
An Ostern 1933 wirkte der Orchesterverein zum letzten Mal beim Festamt mit und das am andern Tag gegebene Konzert im Hotel Engel sollte ebenfalls keine Fortsetzung finden. Für die rund hundert Besucher scheint es eine Zumutung gewesen zu sein, schreibt doch sogar ein Vereinsmitglied: «Herr Direktor Zelger gab sich Mühe, jedoch bei einzelnen Mitgliedern war keine besonders grosse Freude vorhanden. Die Proben für dieses Konzert waren stets schlecht besucht.» Das Nidwaldner Volksblatt hüllte sich in vornehmes Schweigen. Mit Mühe und Not konnte 1934 noch die Theatermusik bestritten werden, allerdings war die Zahl der Zuzüger fast grösser als jene der mitwirkenden Aktivmitglieder. Dann ging auch dieses Engagement verloren. Die Theatergesellschaft wollte ihren Gästen einen solchen Klangkörper nicht mehr länger zumuten. Was darauf geschah, wissen wir nicht. Protokolle und Jahresberichte brechen ab. Wir müssen daraus schliessen, dass von nun an weder Proben noch irgendwelche grössere Auftritte stattgefunden haben.
Neuanfang
Erst während des 2. Weltkrieges taten sich wieder Kräfte zusammen, um den Orchesterverein aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Begonnen hatte die Erneuerung, ähnlich wie 40 Jahre früher, mit einer Orchestermesse, diesmal mit der Missa brevis Sancti Joannis de Deo von Joseph Haydn, die an Weihnachten 1941 und an Dreikönigen 1942 von einem ad-hoc-Streicherensemble zusammen mit dem Gemischten Chor aufgeführt wurde.
Zu später Stunde, am 12. Februar 1942, um 22 Uhr, kam es dann zur richtigen Wiedererweckung. Im Protokoll «zur Gründung des Vereins» heisst es dazu: «Seit längerer Zeit wurde allgemein der Wunsch geäussert, das musikalische Leben in Stans möchte doch wieder zur alten kulturellen Höhe gelangen. Diesem Wunsche wurde Rechnung getragen und in die Tat umgesetzt; und dies haben wir dem kürzlich nach Stans berufenen [auf 1. Dezember 1941] Herrn Musikdirektor Heinz Hindermann zu verdanken. Durch seine Initiative und unermüdliche Vorarbeit ist es ihm gelungen, etliche musikalische Kräfte in eine Gemeinschaft zusammenzuschliessen.»
Wie schon im Jahre 1898 war jetzt wieder der Musikdirektor die treibende Person. Wieviel Zeit er dafür verwendet hat, weiss niemand. Ursprünglich beabsichtigte er, die Mitglieder des alten Vereins zu aktivieren oder wenigstens in seine Pläne einzubinden. Doch diese lehnten alle ab, sodass er ganz auf neue Gesichter angewiesen war. Am 5. Februar versammelten sich zwei Frauen (Marie Durrer, Ida Jann) und sieben Männer (Heinz Hindermann, Alfred Albert, Jakob Heierli, Karl Odermatt, Fritz Vogel sowie Beat und Otto Meier) im Mädchenschulhaus, um die Vereinsgründung oder besser gesagt die Vereinserneuerung vorzubesprechen. Als Hauptgrund für dieses Tun wird genannt: «das Verständnis für Musik nicht nur unter Musikfreunden zu erhalten, sondern das Interesse für instrumentale Musik durch unsere Mitwirkung im Volke wieder zu wecken».
Doch trotz neuer Direktion setzte nach der Begeisterung der ersten Stunde rasch wieder die Ernüchterung ein. Schon das erste Konzert musste um ein Jahr hinausgeschoben werden. Denn der Aktivdienst und das Können der Vereinsmitglieder forderten ihren Tribut: «Nach Massgabe unseres Könnens wollen wir unser Bestes leisten mit den Möglichkeiten, die uns die heutige Zeit gibt», heisst es im Jahresbericht 1942. Ein Aufruf zu fleissigem Probenbesuch schliesst sich an. Anfänglich waren es die Bläser, die fehlten. Ihre Abwesenheit führte zu Diskussionen, ob sie überhaupt als Mitglieder zu betrachten seien. Später liess auch der Probenbesuch bei den Streichern nach. Die Appelle von Präsident und Direktion wurden immer dringlicher, bis schliesslich deswegen am 19. April 1945 eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen werden musste. Ein Jahr später war man wieder gleich weit. Wegen des schlechten Probenbesuchs fragte der Vorstand die Mitglieder an, «ob und in welcher Form der Orchesterverein weiterbestehen» könne. Rettung in der verfahrenen Situation brachten die Anfragen der Theatergesellschaft zur Mitwirkung bei geplanten Singspielen und Operetten sowie das 300-Jahr-Jubiläum der Stanser Pfarrkirche, das mit der Aufführung von Haydns «Schöpfung» begangen werden sollte. Diese Aufgaben forderten die einzelnen Mitglieder heraus und brachten vorübergehend Elan in den Verein. Als Zeichen des Erstarkens führte 1948 das Orchester wieder einmal ein eigenständiges Konzert auf.
Langsamer Aufbau
Am 6. Juni 1949 löste Dr. Alex Bircher den demissionierenden Präsidenten Jakob Heierli (im Amt seit 15. Februar 1944) ab. Voll Zuversicht verkündete der neu Gewählte den etwas erstaunten Mitgliedern: «Mit neuem Mut und frischer Energie für die Ideale der holden Musik treten wir das neue Vereinsjahr an», um sechs Monate später – «der düstere Ausdruck seiner Augen war besorgniserregend – die unerquickliche Lage des Vereins» vorzustellen: Mit «der Probenbesuch ist bedenklich. Die Bläser fehlen überhaupt, die Streicher sind oft schlecht vertreten» begann er seine Kapitelsschelte. Und sie zeitigte einen gewissen Erfolg. Gemeinsam gelobte man sich gegenseitig, die aufgezeigten Probleme anzupacken. Ein «sichtlich erleichterter» Präsident schloss die Versammlung, der sich vor der Zusammenkunft nicht sicher war, ob heute die «Beerdigung» des Orchestervereins stattfinden würde.
Alex Bircher hatte in seiner Analyse über den Zustand des Orchestervereins festgehalten, dass dieser eng mit dem Theater verknüpft sei. «Bleibt die Theateraufführung aus, so fällt auch eine wesentliche Aufgabe des Orchestervereins und damit der Reiz zu regelmässigem Probenbesuch dahin.» Nach der Fasnacht 1949 schloss der Stanser Musentempel für sechs Jahre seine Tore, was für den Orchesterverein ein herber Schlag bedeutete. Zwar begleitete das Orchester weiterhin den Gemischten Chor in der Kirche an Festtagen, zu mehr reichte in dieser Zeit die vorhandene Energie nicht.
Sorgen bereitete ausser dem schlechten Probenbesuch wie eh und je die kleine Streicherbesetzung, die einem allfälligen Bläserzuzug nicht gewachsen war. Fast an jeder Versammlung wurde über dieses Thema diskutiert. An Vorschlägen fehlte es nicht. Oft versprach auch der Vorstand oder einzelne Mitglieder, diese umzusetzen. Doch der Erfolg hielt sich in Grenzen.
Mit der Fasnacht 1955 begann im Theater eine neue Aera. Für den Orchesterverein ging damit eine längere Durststrecke zu Ende. Er sah am Horizont wieder ein Licht aufscheinen. Tatsächlich forderten die bis 1968 fast alle zwei Jahre stattfindenden Operetten-Aufführungen die Mitglieder stark heraus, schenkten ihnen aber auch immer wieder viel Anerkennung und Befriedigung.
So konnte Alex Bircher am 6. Oktober 1959 dem neu zum Präsidenten gewählten Max Leuthold einen einigermassen aktiven Verein übergeben. Bald tauchten sogar eigene Konzertpläne auf, wofür Direktor Heinz Hindermann den damaligen Solofagottisten des Zürcher TonhalleOrchesters, Willy Burger, engagieren wollte. Der Plan scheiterte zwar vorerst an der Erkrankung des Orchesterleiters. Fürs erste blieb es bei einem öffentlichen Auftritt des Orchesters anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des Samaritervereins Stans im Sommer 1962, wofür dieser «von sich aus» eine Gratifikation von hundert Franken in die Vereinskasse ablieferte. Aus purem Zufall kam es aber doch noch zum Auftritt Willy Burgers. Weil im Frühwinter 1962 / 1963 der Hauptdarsteller einen Unfall erlitt, musste der «Hauptmann von Köpenick» abgesagt werden. Einige Kulturliebhaber beschlossen darauf, während der Fasnacht 1963 eine Posthorniade mit Auftritten verschiedener Ensembles zu organisieren. Der Orchesterverein erklärte sich spontan bereit, zusammen mit einigen Bläsern der Stanser Feldmusik einen Abend zu übernehmen. Aus zwei Gründen blieb der Anlass über Jahre in den Köpfen der Vereinsmitglieder präsent. Zum einen fuhr das Konzert ein für damalige Verhältnisse «saftiges» Defizit ein, zum andern war sein Programm erstmals in der Vereinsgeschichte ausschliesslich auf klassische Musik ausgerichtet. Der 13. Februar 1963 kann deshalb für den Orchesterverein als Vorbote einer neuen Ära bezeichnet werden. Das Konzertrepertoire verlagerte sich seither immer stärker zu Gunsten der sogenannten «ernsten» Musik.
Seit der «Posthorniade» trat das Orchester regelmässig (Ausnahmen von 1972 und 1995 bestätigen die Regel) mindestens einmal in einem eigenständigen Konzert auf, nicht selten kam es sogar zu zwei oder drei eigenen Auftritten im selben Jahr, daneben wurde selbstverständlich der Gemischte Chor Stans an Festtagen weiterhin unterstützt.
Im Herbst 1964 verliess der musikalische Leiter Heinz Hindermann Stans. Für Präsident Max Leuthold hiess dies, dass er die Fühler zum neuen Musikdirektor Konrad Rudolf Lienert ausstrecken musste. Er wurde mit ihm bald einig, obschon dieser gegenüber dem bisherigen Leiter andere finanzielle Vorstellungen hatte. Am 12. Januar 1965 konnte die Generalversammlung Konrad Rudolf Lienert zum neuen Leiter wählen. Voller Tatkraft wollte er noch im gleichen Jahr mit zwei Konzerten vor die Öffentlichkeit treten und dabei unter anderem Werke von Johannes Brahms (Alt-Rapsodie) und Richard Wagner (Siegfried-Idyll) aufführen. Einigen Vereinsmitgliedern verschlug dieser Plan schon bei der Bekanntmachung fast die Sprache, obschon Lienert versichert hatte, das Programm «sei das Ergebnis einer reichen und gründlichen Überlegung. Es werde auch allen zur Freude und Befriedigung sein». Im übrigen, so schloss der Leiter seine Ausführungen, brächten lange Probenpausen nur Schwierigkeiten. Und da hatte er sicher recht.
Seine Pläne versuchte der neue Dirigent konsequent umzusetzen. Neben Auftritten an Ostern, an der Kilbi und an Weihnachten in der Kirche, bereitete er mit dem Orchester 1965 zwei Konzerte vor: eines im Sommer und eines im Advent. Brahms und Wagner kamen darin freilich nicht vor. Sie standen erst in den beiden Konzerten von 1966 auf dem Programm. Dazu gesellten sich eine Operetten-Produktion im Theater und drei Orchestermessen in der Kirche. Zwei ausserordentlich reich befrachtete Jahre, welche den Mitgliedern viel Arbeit, teilweise auch Überforderung, und der Kasse ein grosses Loch einbrachten.
Es wundert nicht, wenn nun die Stimmen lauter wurden, die nach einer gemächlicheren Gangart riefen. Dirigent und Vorstand hörten die Rufe. So wurde in den folgenden Jahren nur mehr ein Konzert pro Jahr geplant, gleichzeitig auch bei der Stückwahl stärker darauf geschaut, dass die Werke dem Können der Mitglieder entsprachen.
Trotz dieser Zurücknahme darf die Zeit unter Rudolf Konrad Lienert als eine äusserst fruchtbare und für das Orchester als eine glückliche bezeichnet werden. Die Vorarbeiten, die unter der Direktion von Heinz Hindermann und der Streicherschulung durch Ida Jann geleistet worden waren, zeitigten Früchte. Hinzu kamen der äusserst initiative und kreative Dirigent sowie ein Vorstand, der voll hinter dem Leiter stand. Indessen liessen sich die alten Probleme nicht ganz zum Verschwinden bringen. Auch Lienert musste besseren Probenbesuch, pünktlicheren Beginn und gute Probendisziplin anmahnen. Auch die Nachwuchsmisere blieb bestehen, doch besass sie nicht mehr höchste Priorität. Während einzelne Mitglieder glaubten, die neue Musikschule in Stans (sie begann 1967 ihren Betrieb) werde das Problem schon lösen, warnten andere vor dieser Ansicht. Gut ausgebildete junge Musikerinnen und Musiker würden nur dann in den Orchesterverein eintreten, wenn dieser über ein qualitativ hochstehendes Niveau verfüge. Dies aber bedinge, dass jedes Mitglied ständig an sich selbst arbeite. Das Schicksal der Feldmusik Stans sollte später zeigen, wie recht diese Warner hatten.
Erneuter Rückschlag
Der Wegzug von Konrad Rudolf Lienert im Jahre 1970 brachte das Vereinsschiff wieder ins Schlingern. Zwar war in der Person von Urs Simeon ein neuer Leiter bald gefunden. Doch irgendwie gelang es ihm nicht, die Mitglieder zu begeistern. Statt aufzumuntern, beklagte er ihre «kleine Zahl» und bedauerte, dass es für diese Besetzung fast keine Musikliteratur gäbe. Schlugen einige Mitglieder den stärkeren Einbezug des Spielkreises (ein Streicherensemble, das von Heinz Hindermann und Ida Jann ins Leben gerufen wurde; es kann als eine Art Vorgänger des heutigen Jugendorchesters bezeichnet werden) vor, so wandte er dagegen ein, dass dies nur Schwierigkeiten gäbe, weil sich «die Jugend oft sträube, mit der älteren Generation zusammenzuarbeiten». Im Nachhinein erhält man den Eindruck, dass er damals mit den Aufgaben eines Orchesterdirigenten etwas überfordert war.
Die Folge waren mühsame Proben, dann schlechter Probenbesuch, was dazu führte, dass der Verein nur mehr am 20. September 1970 (Bettag) und am 12. Juni 1971 konzertmässig auftrat, 1972 gar ganz auf einen Auftritt verzichten musste. Niemand war unglücklich, als Urs Simeon die Stelle als Leiter aufgab und von Stans wegzog, auch wenn der Vorstand vorerst keinen neuen Dirigenten präsentieren konnte.
In dieser Notsituation streckte man die Fühler nach Buochs aus. Der dortige Orchesterverein (in den 1920er Jahren entstanden) besass momentan ebenfalls keinen Dirigenten. So stellte sich die Frage, ob man nicht gemeinsam einen musikalischen Leiter suchen sollte, um dann gemeinsam zu proben. Die Vorstände beider Vereine kamen am 12. September 1972 zusammen. Bei dieser Besprechung vereinbarte man eine engere Zusammenarbeit. Während im kirchlichen Bereich die beiden Orchester getrennt auftreten sollten (Stans unter Hans Schmid, Buochs unter Max Stengele), wollte man zusammen jährlich ein Konzert veranstalten, für dessen musikalische Leitung Alois Koch engagiert werden konnte. Dank dieser Lösung fanden im Juni 1973 und 1974 an beiden Orten Konzerte statt, die davon Zeugnis ablegten, dass der tiefste Punkt durchschritten war. Am Horizont begann sich bereits ein Silberstreifen abzuzeichnen.