Für einmal ganz amerikanisch
Der Orchesterverein Nidwalden entführte nach Amerika und bot grosses musikalisches Kino. Unter anderem mit der „Rhapsody in Blue“ und einer grandiosen Solistin.
Die Stückwahl erstaunte, und zwar positiv. Denn erstens bewies der Orchesterverein Nidwalden mit dem diesjährigen Neujahrskonzert musikalische Weltoffenheit und zweitens, dass er musikalisch in bester Verfassung ist. Die Frage, ob sich das Laienorchester mit dem Weltklassewerk „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin auf dünnes Eis begeben würde, war schnell beantwortet. Denn das Eis erwies sich mehr als genug dick, um dem zahlreichen Publikum im Stanser Theatersaal ein musikalisches Erlebnis vom Feinsten zu bieten. Beide Aufführungen geriten zu einer gelungenen Hommage an die amerikanische klassische Musik schlechthin mit fast 70 Musikern auf der Bühne.
Die Ankündigung des genussreichen Konzertes mit „Stars and Stripes“ klang eher wie ein besseres Blasmusikkonzert. Doch es war weit mehr, denn dem Orchesterverein gelang es beispielhaft, auch das Innenleben der amerikanischen Musik auszuleuchten. Dies mit der Verwendung von Elementen aus Jazz und Blues, also Musikformen, die im Ursprung rein amerikanische Phänomene sind. Gestartet wurde gleich mit dem Höhepunkt – der „Rhapsody in Blue“. Bei dieser fulminanten Eröffnung stockte manch einem der Atem, denn das Werk verkörpert wie kein zweites die Verbindung von Jazz zu Klassik. Die einsam wimmernde Solo-Klarinette zieht ihren Ton stufenlos von weit unten bis hoch hinauf, bis das Orchester einsetzt. Eine Parforce-Leistung erster Güte, wie sicher dem Klarinettisten Hanspeter Muri dies gelang. Dirigent Tobias von Arb hatte alles im Griff und zeigte eine gelungene Interpretation dieses Meisterwerkes. Insbesondere gelang es ihm, die Fröhlichkeit der Motive zu betonen, auch wenn das Orchester technisch an seine Grenzen gerite. Das Resultat war eine Rhapsodie der Freude und des Glücks. Hauptdarstellerin dabei war Solisitn Annina Röllin (24) am Klavier. Auch wenn die Interpretation relativ viel Raum lässt, gelang der jungen Pianistin eingrandioser Auftritt. Röllin versprühte dabei gar einen Hauch von Broadway-Flair mit all seiner Farbigkeit und einem Akkordfeuerwerk, aber auch mit Dissonanzen, welche das abgründige New York auszeichnene. Die schellen Läufe gestaltete sie so elegant wie einfallsreich.
Ebenso lebendig erwies sich die 4-sätzige „Mississippi-Suite“ des Amerikaners Ferde Grofé. Auch hier konnte das Orchester seine ganze Palette an Farbenreichtum präsentieren. Die Musik verleitete zum Träumen, vom Lauf des Mississippi, vonToma Sawyer und Huckleberry Finn, von den Indianern über die kreolischen Zeiten bis zum Mardi Gras, dem fröhlichen Karneval von New Orleans.
Das „traurigste Klassikstück“ der Welt
Von ganz anderem Zuschnitt erwies sich das weltbekannte „Adagio für Streicher“ von Samuel Barber. Seit dieses zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September ertönt, hat es das Attribut, die „traurigste klassische Melodie“ zu sein. Vom Emotionalen gerite die Darbietung des Orchesters zu einem tiefen Erlebnis, und die Streicher zeigten sich zusammen mit ihrem tüchtigen Dirigenten von ihrer eindrücklichsten Seite.
Den Abschluss des Neujahrkonzertes bildeten sechs kurze, sehr originelle Konzertstücke von Leroy Anderson, die er für das Boston Pops OOrchestra komponierte. Auch in der Nidwaldner Fassung durfte dabei der Humor nicht fehlen, hörte man dabei doch ungewöhnliche Klänge wie Glocken, Sandpapier oder gard das Miauen einer Katze.
Quelle: Nidwaldner Zeitung