Kapitel 1 – Euch macht ihr’s leicht, mir macht ihr’s schwer

Von den Nöten, den richtigen Einstieg zu finden

Anlaufschwierigkeiten

«Euch macht ihr’s leicht, mir macht ihr’s schwer.» Diesen Ausspruch legt Richard Wagner in seiner Oper «Die Meistersinger von Nürnberg» dem Schuhmachermeister und Sänger Hans Sachs in den Mund. Sein Wort, das wohl nicht zuletzt auch eigene Erfahrungen des Dichterkomponisten wiedergibt, war in den Wochen und Monaten auch bei diesem Buchprojekt der ständige Begleiter. Leicht war es zu fragen, ob man bereit sei, die Geschichte des Orchestervereins in aller gebotenen Kürze aufzuarbeiten und dabei auf die Fülle an vorhandenem Material hinzuweisen. Leicht war es auch, «ja» zu sagen, schwer aber wurde das Einlösen des gegebenen Versprechens. Fragen über Fragen galt es zu beant­worten. Wie sollte das Buch aussehen, in welchem Verhältnis sollten Bild und Text zueinander stehen, welche graphischen Mittel eingesetzt werden, fragte sich der Gestalter. Wo beginnen und wo aufhören, wie die Tatsache überbrücken, dass die Quellen unterschiedlich dicht überliefert sind, überlegte sich der Autor. Probleme gab es einige. Dem Leser bleibt das Urteil überlassen, ob sie gelöst werden konnten.

Josef Zelger, Hauptinitiator bei der Gründung des Orchestervereins und dessen erster, langjähriger Dirigent; Aufnahme vom Jahre 1924

«Euch macht ihr’s leicht, uns macht ihr’s schwer.» Dieses Zitat kann man aber auch auf die Gründer des Nidwaldner Orchesters anwenden. Leicht ist es, einen Verein zu gründen, wenn die Zeit dafür reif ist, aber schwierig für die Nachfolger, die Institution durch alle Jahre weiter zu tragen. Gar manche Klippe galt es da zu umsegeln oder, in der Sprache der Musiker übersetzt, manche heikle Stelle zu meistern. Nun kann der ­Verein auf 100 Jahre zurückschauen. Ein kleines Ensemble ist zum Symphonieorchester gewachsen. Aus einem Kreis von «Liebhabermusikern», welche mit ihrem Spiel die Ohren der Zuhörer doch öfters arg strapaziert haben (wenn man dem glaubt, was zwischen den Zeilen in den Berichten über die ersten Konzerte zu lesen ist), hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Klangkörper von beträchtlicher Qualität entwickelt, dessen Konzerte für alle Musikfreunde einen Genuss darstellen.

«Euch macht ihr’s leicht, uns macht ihr’s schwer.» Davon können auch die Dirigenten ein Liedlein singen. Leicht ist es, ein Programm zu beschliessen, doch bis es mit Laienmusikern zur Konzertreife einstudiert ist, braucht es Zeit und bisweilen auch Nerven, vor allem aber viel Fingerspitzengefühl. Denn Laien spielen aus Freude am gemeinsamen Musizieren und nicht, um sich damit das tägliche Brot zu verdienen. Gefordert von der Arbeit im Alltag, möchten sie während der Proben nicht vom gleichen Stress begleitet sein. Auf der anderen Seite hat jeder wahre ­Dirigent Ehrgeiz genug, um die ausgewählten Werke ausgereift zur Wiedergabe zu bringen. Ausgefeilte Ein­­spielungen auf CDs, die von ­jedermann günstig zu erwerben sind, legen für ihn die Messlatte hoch. Er möchte mit seinem ­Orchester und mit seiner ­Interpretation vor den kritischen Zuhörern, wenn möglich auch vor Fachleuten bestehen können. Diese zwei unter­schied­lichen Vorstellungen unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Der Erfolg eines Laienorchesters liegt wohl im tragfähigen Kompromiss zwischen beiden Erwartungen. Ihn herbeizuführen und auszuhalten braucht Kraft.

«Euch macht ihr’s leicht, mir macht ihr’s schwer.» Dem Seufzer zum Trotz bringt es Hans Sachs in der Oper fertig, seine Aufgabe gut zu ­Ende zu bringen. Sein Protégé, der Ritter Stoltzing, wird nicht nur als vollwertiges Mitglied in die Gilde der Meistersinger aufgenommen. Hans Sachs bringt auch das Kunststück fertig, den Ausgleich im schwelenden Konflikt zwischen Adel und Bürgertum zu erreichen, gewissermassen als Zugabe kann Stoltzing auch die hübsche Eva zum Traualtar führen. Bis Meistersinger Sachs aber ­alle Winkelzüge seines Gegenspielers Beckmesser durchkreuzt hat, muss er sich einige Tricks einfallen lassen und dafür schwere Arbeit leis­ten. Packen auch wir es an.